Leitfaden Kartellrecht und Compliance

Präambel

Der Maschinenraum ist ein geteiltes Innovations-Ökosystem, das deutsche Mittelstands- und Familienunternehmen zusammenbringt, um gemeinsam eine lebenswerte Zukunft für künftige Generationen zu schaffen. Dafür bietet der Maschinenraum im Rahmen von Mitgliedschaften, Austausch- und Lernformate, Workshop- und Projektbegleitungen, Räumlichkeiten aber auch andere Dienstleistungen an. Im Vordergrund stehen dabei Erfahrungsaustausche und die Förderung von Innovationsprozessen zwischen und durch Unternehmen sowie Dritten.

Dieser Leitfaden soll Mitgliedsunternehmen und deren Mitarbeitenden eine Übersicht verschaffen, welche Dinge im Maschinenraum erlaubt sind und somit unbedenklich sind (z.B. Austausch zu Best Practices und Trends der Branche) und welche Inhalte im Maschinenraum nicht behandelt werden dürfen.

A. Allgemeines zum Kartellrecht und zu Compliance

Einführung

Der freie Wettbewerb der Marktteilnehmer ist als unverzichtbarer Bestandteil und Voraussetzung der freien sozialen Marktwirtschaft vor jeder Beschränkung zu schützen. Diesem Zweck dienen die gesetzlichen Regelungen des deutschen und europäischen Kartellrechts. Insoweit bilden Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) und § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) den Kern des nationalen und europäischen Kartellrechts.

Ziel des Kartellrechts ist der Schutz des unverfälschten Wettbewerbs. Ausdruck dieses unverfälschten Wettbewerbs ist eine „bestmögliche Versorgung der Verbraucher durch Unterbindung schädlicher privater Wettbewerbsbeschränkungen“, so dass auch der Verbraucherschutz und die Förderung der Konsumentenwohlfahrt Ziele des Kartellrechts sind.

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen werden immer dann nach europäischem Recht (Art. 101 AEUV) beurteilt, wenn sie geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der EU zu beeinträchtigen (z. B. Forschungskooperationen zwischen Unternehmen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten). An diese Eignung zur Handelsbeeinträchtigung werden nur geringe Anforderungen gestellt, d. h. die Schwelle zur europäischen Relevanz ist schnell überschritten.

Wettbewerbsverstöße (Kartellverstöße) können erhebliche Risiken nach sich ziehen. Hierzu zählen die Nichtigkeit der Vereinbarungen, Bußgelder, Vorteilsabschöpfung und strafrechtliche Sanktionen. Auch private Schadensersatzforderungen und der Imageschaden für das kartellrechtswidrig handelnde Unternehmen sind zu berücksichtigen.

Es ist zu beachten, dass der deutsche – anders als der europäische – Gesetzgeber es für notwendig erachtet hat, Ausnahmen für wettbewerbsrelevante Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zu machen. Diese Zulässigkeit sog. Mittelstandskartelle soll einen Ausgleich hinsichtlich der Vorteile schaffen, die große Unternehmen oftmals allein aufgrund ihrer Größe bei der Beschaffung, der Produktion oder dem Vertrieb haben. § 3 GWB knüpft diese Ausnahme vom Kartellverbot jedoch an Bedingungen, die insbesondere die Größe der beteiligten Unternehmen und die Art der Vereinbarung betreffen. Eine solche Ausnahme für Mittelstandskartelle besteht im europäischen Kartellrecht nicht. Aufgrund des Vorrangs des europäischen Rechts profitieren deshalb Vereinbarungen dann nicht von diesem Privileg, wenn sie sich über die Grenzen Deutschlands auswirken und eine spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU nach sich ziehen.

Ziel dieses Leitfadens ist es daher, den Mitgliedern und Mitarbeitenden des MASCHINENRAUMs einen groben Überblick über die relevanten Aspekte des Kartellrechts zu geben und eine Orientierung zu richtigen Verhaltensweisen in kartellrechtlicher Hinsicht.

1. Das Kartellverbot

1.1 Das Kartellverbot im Überblick

Das deutsche und das europäische Kartellrecht verbieten Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, welche eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken (sog. Kartellverbot).

1.1.1 Die einzelnen Begrifflichkeiten

1.1.1.1 Das Kartellverbot wird sehr weit ausgelegt. Der Begriff der Vereinbarung erfasst nicht nur schriftliche Verträge, sondern beispielsweise auch sogenannte Gentlemen’s Agreements, die bloß mündlich getroffen werden. Es ist also nicht erforderlich, dass die Vereinbarung schriftlich festgehalten wurde, oder dass sie rechtlich verbindlich sein sollte.

1.1.1.2 Selbst eine solche Vereinbarung ist nicht zwingend erforderlich. Bereits aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sind vom Kartellverbot erfasst. Diese setzen lediglich einen (direkten oder indirekten) Kontakt zwischen Unternehmen und eine darauf beruhende Anpassung ihres Marktverhaltens voraus. Eine solche abgestimmte Verhaltensweise liegt etwa vor, wenn zwei Wettbewerber sensible Geschäftsinformationen, beispielsweise zu anstehenden Preiserhöhungen, austauschen. Dass die Unternehmen die so erhaltenen Informationen bei der Entscheidung über ihr Marktverhalten berücksichtigen und sich der zwischen ihnen erfolgte Kontakt daher auf ihr Marktverhalten auswirkt, wird vermutet.

1.1.1.3 Auch der Begriff Unternehmen ist weit zu verstehen und erfasst jede Einheit (gleichgültig ihrer Rechtsform), die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Als wirtschaftliche Tätigkeit wird dabei grundsätzlich jedes Anbieten von Waren oder Dienstleistungen am Markt angesehen. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Auch Freiberufler können demnach Unternehmen sein. Bei öffentlich-rechtlichen Einheiten kommt es grundsätzlich darauf an, ob die betreffende Tätigkeit potentiell auch von Privaten am Markt angeboten werden kann. Auch Verbände fallen als Unternehmensvereinigungen unter das Kartellrecht.

Grundsätzlich kann das Verhalten jedes Mitarbeiters die kartellrechtliche Haftung eines Unternehmens begründen. Es ist also nicht erforderlich, dass die Personen, die sich kartellrechtswidrig verhalten, berechtigt sind, ihr Unternehmen im Rechtsverkehr zu vertreten (etwa eine Absprache in einem Telefonat zwischen Vertriebsleitern zweier Unternehmen).

1.1.1.4 Eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellverbots liegt vor, wenn die wettbewerbliche Handlungsfreiheit, d. h. das Angebots- oder Nachfrageverhalten, eines Unternehmens beschränkt wird. Typische Beispiele für solche Wettbewerbsbeschränkungen sind etwa Preisabsprachen oder Marktaufteilungen zwischen Wettbewerbern sowie Preisbindungen gegenüber Händlern. Für den Kartellverstoß ist es dabei bereits ausreichend, dass diese Wettbewerbsbeschränkung von den Parteien bezweckt wird. Das Argument, dass die getroffene Vereinbarung in der Praxis nie umgesetzt wurde, hilft daher nicht, um den Verstoß gegen das Kartellverbot in Abrede zu stellen.

Wenn die Wettbewerbsbeschränkung nicht bezweckt wurde, kann ein Kartellverstoß dennoch vorliegen, wenn eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise die Wettbewerbsbeschränkung faktisch bewirkt.

1.1.1.5 Um unter das Kartellverbot zu fallen, muss die herbeigeführte oder bezweckte Wettbewerbsbeschränkung spürbar sein. Die sog. De-minimis-Bekanntmachung der EU-Kommission erklärt, dass Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, deren gemeinsamer Marktanteil nicht mehr als 10 % beträgt (bei Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Abnehmern liegt die Schwelle bei jeweils 15 % des jeweiligen Marktanteils), grundsätzlich nicht spürbar sind. Bei gravierenderen Kartellrechtsverstößen, d. h. insbesondere bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen, gelten diese Regeln jedoch nicht. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten stets als spürbar.

1.1.2 Ausnahmen vom Kartellverbot

1.1.2.1 Liegt ein Kartellverbot nach den eben beschriebenen Maßgaben grundsätzlich vor, kann die konkrete Verhaltensweise ausnahmsweise vom Kartellverbot freigestellt sein. Vom Kartellverbot freigestellt sind Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die1.1.2.1.1 zur Verbesserung der Warenerzeugung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen (sog. Effizienzgewinne),

1.1.2.1.2 die Abnehmer der Waren in angemessenem Umfang an diesen Effizienzgewinnen teilhaben lassen

1.1.2.1.3 lediglich Wettbewerbsbeschränkungen vorsehen, die zur Erlangung der Effizienzgewinne unerlässlich sind, und die

1.1.2.1.4 nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

1.1.2.2 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können demnach zulässig sein, wenn sie Effizienzgewinne, etwa in Form von Kosteneinsparungen durch Synergien oder qualitativen Verbesserungen, herbeiführen und zu erwarten ist, dass diese im angemessenen Umfang, z. B. in Gestalt niedrigerer Preise oder qualitativ verbesserter Produkte, an die Abnehmer weitergegeben werden.

1.2 Verhalten im Verhältnis zu Wettbewerbern

1.2.1 Preis- und Konditionenabsprachen

1.2.1.1 Verboten ist jede Absprache zwischen Wettbewerbern über Preise, Preisnachlässe sowie über Zeitpunkt und Ausmaß von Preisveränderungen. Derartige Absprachen gehören zu den sog. Hardcore-Kartellverstößen, die grundsätzlich unzulässig sind. Erfasst ist neben der unmittelbaren Preisfestlegung auch die mittelbare Preisfestlegung durch Absprache von preisbildenden Faktoren wie etwa Handelsspannen.

1.2.1.2 Neben Preisabsprachen sind auch Vereinbarungen über sonstige Geschäftsbedingungen (Lieferbedingungen, Garantiebedingungen, Zahlungsfristen, Verzugszinsen etc.) grundsätzlich unzulässig. Im Einzelfall kann eine Vereinheitlichung von Geschäftsbedingungen jedoch freigestellt sein, wenn diese zu Effizienzgewinnen führt und, z. B. aufgrund der verbesserten Vergleichbarkeit der Angebote, auch den Verbrauchern zugute kommt.

1.2.2 Marktaufteilung

Die Aufteilung des Marktes zwischen Wettbewerbern stellt ebenso einen Hardcore- Kartellrechtsverstoß dar und ist als solcher grundsätzlich stets unzulässig. Eine Marktaufteilung findet zumeist dergestalt statt, dass sich Wettbewerber versprechen, bestimmte Kunden oder Absatzgebiete der jeweils anderen Partei nicht „anzugreifen“. Auch die Vereinbarung, bestimmte Produktionsmengen oder Quoten nicht zu überschreiten, etwa um die von den Parteien jeweils gehaltenen Marktanteile stabil zu halten, stellt eine unzulässige Marktaufteilung dar.

1.2.3 Informationsaustausch und Benchmarking

1.2.3.1 Der Austausch von marktrelevanten Informationen zwischen Wettbewerbern kann unterschiedliche Wirkungen auf den Wettbewerb haben und muss daher je nach Einzelfall beurteilt werden. Grundsätzlich gilt:

1.2.3.1.1 Der Austausch von preisbezogenen Informationen (Einkaufs-, Verkaufs- und Wiederverkaufspreise einschließlich Listenpreise, Preisbestandteile, Preiskalkulation) oder Informationen über Vertriebspolitik, Absatzgebiete und Kunden (Kundenlisten, aktuelle Aufträge und Ausschreibungen) ist zwischen Wettbewerbern stets unzulässig.

1.2.3.1.2 Der Austausch von Informationen über sonstige (nicht unmittelbar preisbezogene) Konditionen (Garantiebedingungen, Lieferbedingungen etc.), Kosten (Fertigungskosten, Verwaltungskosten etc.), Umsatz- und Absatzzahlen, Marktanteile, Technologien und Produktneuheiten ist kritisch und kann im Einzelfall unzulässig sein.

1.2.3.1.3 Unbeachtlich ist, ob der Informationsaustausch direkt zwischen den Wettbewerbern oder indirekt, unter Einschaltung einer Mittelsperson, erfolgt.

1.2.3.2 Zu beachten ist, dass auch die bloße Entgegennahme (das Mithören, das Lesen) einer von einem Wettbewerber preisgegebenen sensiblen Geschäftsinformation die kartellrechtliche Haftung des Empfängers begründen kann und nur ein umgehender, offen ausgedrückter und dokumentierter Protest des Empfängers dieses Risiko ausschließt.

1.2.4 Kooperation zwischen Unternehmen im Rahmen eines Joint Venture

Auch die informelle Gründung eines (vollfunktionsfähigen) Gemeinschaftsunternehmens durch zwei oder mehrere Wettbewerber kann eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens und damit eine Wettbewerbsverzerrung zur Folge haben. Einer weitergehenden kartellrechtlich relevanten Vereinbarung bedarf es dann nicht mehr, da bereits die Verträge zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens oder der übereinstimmende Wille zur Kooperation eine solche relevante Vereinbarung darstellen. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob es sich um eine unzulässige Kooperation zwischen Unternehmen handelt, ist die Frage, ob die Zusammenarbeit zu einer Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der beteiligten Unternehmen führt. Allerdings bietet eine Kooperation von Unternehmen durch Bündelung von Kapazitäten in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion oder auch Verkauf erhebliche Effizienzvorteile, die zu einer Freistellung des Gemeinschaftsunternehmens vom Kartellverbot führen können (siehe 2.1.2).

1.3 Verhalten im Verhältnis zu Lieferanten und Abnehmern

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen kann es nicht nur im Verhältnis zwischen Wettbewerbern, sondern auch im Verhältnis zwischen Lieferanten und ihren Abnehmern geben (sog. vertikale Wettbewerbsbeschränkungen).

2. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Das deutsche und das europäische Kartellrecht verbieten die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen.Die wesentlichen Anknüpfungspunkte des Missbrauchsverbots sind dabei die marktbeherrschende Stellung und die missbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung.

2.1 Marktbeherrschende Stellung

Ein Unternehmen ist dann marktbeherrschend, wenn es auf dem Markt, auf dem es tätig ist, keinem ausreichenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist und sich gegenüber Wettbewerbern und Abnehmern daher in erheblichem Umfang unabhängig verhalten kann. Neben marktbeherrschenden Unternehmen sind im deutschen Recht auch Inhaber einer marktstarken Stellung und Unternehmen mit einer gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegenen Marktmacht an bestimmte Vorgaben des Missbrauchsverbotes gebunden.

2.2 Missbrauch

Unternehmen in marktbeherrschender Stellung ist es verboten, diese Stellung zu missbrauchen. Das bloße Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung ist selbst nicht zu beanstanden. Ein Unternehmen darf also eine marktbeherrschende Stellung in zulässiger Weise aufbauen und aufrechterhalten sowie seine Wirtschaftsinteressen auf dem Markt verfolgen, muss aber mit dieser Stellung sowohl gegenüber Handelspartnern, d. h. Zulieferern und Abnehmern, als auch gegenüber Wettbewerbern „verantwortungsvoll“ umgehen.

3. Sanktionen

3.1 Kartellrechtsverstöße können von den Wettbewerbsbehörden mit sehr empfindlichen Geldbußen sanktioniert werden. Diese können bis zu 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens in dem der Bußgeldentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr betragen.

3.2 Potenzielle Schadensersatzklagen von Kartellgeschädigten, d. h. in erster Linie von direkten oder indirekten Abnehmern der kartellbeteiligten Unternehmen, bedeuten ein erhebliches Kostenrisiko für die Kartellanten. Die Geschädigten können ihren Kartellschaden auf dem Zivilrechtsweg geltend machen. Die EU-Kartellschadensersatz- Richtlinie schafft für Geschädigte verschiedene Erleichterungen für die Durchsetzung ihrer Ansprüche.

3.3 Einen Schadensersatzanspruch kann grundsätzlich jedermann haben, dem ein Schaden durch eine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung entstanden ist.

3.4 Grundsätzlich kann der Geschädigte (wahlweise) jeden Kartellanten in Anspruch nehmen und muss sich nicht an das Unternehmen halten, von dem es die überteuerten Waren oder Dienstleistungen bezogen hat.

4. Kartellrechtliche Compliance

4.1 Ziele und Funktionen

Die Einführung sog. Compliance-Programme in Unternehmen soll Mitarbeiter aller Ebenen für kartellrechtliche Risiken unternehmerischen Handelns sensibilisieren. Sie können dadurch helfen, Kartellrechtsverstöße und alle damit einhergehenden negativen Folgen zu vermeiden.

Für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer kann sich aus ihrer Verantwortung gegenüber dem Unternehmen sogar die Pflicht ergeben, ein funktionierendes Compliance-Programm einzurichten.

4.2 Einführung und Ausgestaltung eines Compliance-Programms

4.2.1 Vorbereitung und Organisation

4.2.1.1 Ein Compliance-Programm muss an die Strukturen und branchenspezifischen Risiken jedes Unternehmens individuell angepasst sein. Dies setzt voraus, dass zunächst die kartellrechtlichen Risiken für jedes Unternehmen gesondert identifiziert und bewertet werden, um das Compliance-Programm auf das spezifische Risikoprofil des Unternehmens zuschneiden zu können. Ziel dieser Risikoanalyse ist es, die bei dem konkreten Unternehmen in Betracht kommenden Arten von Kartellrechtsverstößen zu identifizieren, und diejenigen Funktionsbereiche, Mitarbeiter und, bei großen Unternehmen, Landesgesellschaften zu bestimmen, bei denen die Gefahr dieser Verstöße besonders groß ist. Dabei spielen beispielsweise die Fragen eine Rolle, welche Mitarbeiter aufgrund ihres Aufgabenbereichs (z. B. Teilnahme an Verbandssitzungen) in Kontakt zu Wettbewerbern stehen oder welche Funktionsbereiche innerhalb des Unternehmens kartellrechtlich besonders sensibel sind (typischerweise der Vertrieb sowie die oberste Geschäftsleitung). Auf Grundlage des Ergebnisses dieser Risikoanalyse wird festgelegt, bei welchen Funktionsbereichen, Mitarbeitern oder Landesgesellschaften die Maßnahmen des Compliance Programms (besonders häufig) angewandt werden müssen.

4.2.1.2 Neben der Risikoanalyse hat es sich bewährt, einer Person in leitender Position die Gesamtverantwortung für die Umsetzung und Überwachung des Compliance- Programms zu übertragen. In großen Unternehmen wird diese Rolle häufig dem Chief Compliance Officer (CCO) oder dem Leiter der Rechtsabteilung zugewiesen. Bei kleineren Unternehmen kommt hierfür beispielsweise der CFO in Betracht.

4.1.1.3 Es kann auch eine Beratungs- und Anzeigehotline („Whistleblower“-Hotline) eingerichtet werden, die Fragen zur Zulässigkeit geplanter Vorhaben entgegennimmt und der bestehende Verdachtsmomente vertraulich und ggfs. anonym gemeldet werden können. Die Vertraulichkeit und der Schutz vor Repressalien sind Grundvoraussetzungen dafür, dass diese Hotline von den Mitarbeitern tatsächlich genutzt wird. Ebenfalls kann hierzu eine E-Mail-Adresse eingerichtet werden, an die vertraulich bestehende Verdachtsmomente gemeldet werden können.

4.2.1.4 Im Rahmen eines Compliance-Programms kann vorgesehen werden, dass Mitarbeiter nur dann an einem Verbandstreffen, bei dem auch Wettbewerber anwesend sein werden, teilnehmen dürfen, wenn sie eine detaillierte Tagesordnung für dieses Treffen vorlegen und diese keine kartellrechtlich bedenklichen Themen enthält. Zudem kann eine Protokollierungspflicht für derartige Wettbewerberkontakte vorgeschrieben werden.

4.2.2 Reaktion auf konkrete Verstöße

Sofern Mitarbeiter gegen die Compliance-Leitlinien verstoßen, müssen die Unternehmen angemessen reagieren. Zunächst muss das Unternehmen sicherstellen, dass der Verstoß abgestellt wird. Zudem können – im Rahmen des rechtlich Zulässigen – Sanktionen gegenüber den betreffenden Mitarbeitern verhängt werden. Derartige Sanktionen dokumentieren innerhalb des Unternehmens den Willen der Geschäftsführung, die Compliance-Strategie umzusetzen und weitere Verstöße zu verhindern. Einzelheiten zu diesen Sanktionen können in eigenen Disziplinarrichtlinien zusammengefasst werden, um das Sanktionsverfahren gegenüber den Mitarbeitern transparent zu machen und die Abschreckung vor Compliance-Verstößen nochmals zu erhöhen. In diesen Disziplinarrichtlinien kann dann auch geregelt werden, wer innerhalb des Unternehmens über die Verhängung von Sanktionen entscheiden darf. Diese Frage kann insbesondere dann brisant sein, wenn ein Mitglied der Geschäftsführung selbst an einem Compliance-Verstoß beteiligt ist. Auch das Spannungsfeld zwischen Sanktionen und der Notwendigkeit, mit den verantwortlichen Mitarbeitern für die Stellung eines Kronzeugenantrags zusammenzuarbeiten, sollte in den Disziplinarrichtlinien adressiert werden. Dabei kann Mitarbeitern, die in einen Compliance-Verstoß verwickelt sind, unter Umständen ein Verzicht auf Sanktionen zugesichert werden, wenn diese bei der internen Aufklärung vollumfänglich kooperieren und so die zügige Stellung eines Kronzeugenantrags ermöglichen.

B) Umsetzung der kartellrechtlichen Vorgaben im MASCHINENRAUM

Basierend auf dem Vorstehenden setzt MASCHINENRAUM die kartellrechtlichen Vorgaben folgendermaßen um:

1. Grundregeln

1.1 Adressatenkreis

Adressaten sind alle Mitarbeiter und Mitglieder des MASCHINENRAUMS, um den Zweck des MASCHINENRAUMs, nämlich eine lebenswerte Zukunft für künftige Generationen zu schaffen, zu fördern. Die folgenden Grundregeln, Verbote und erlaubten Verhaltensweisen sind jederzeit bei jeglicher Aktivität innerhalb des und/oder im Zusammenhang mit dem MASCHINENRAUM zu beachten.

1.2 Preise

Austausch von Preisen, d.h. sowohl Einkaufs- als auch Verkaufspreise zwischen den Wettbewerbern, sind untersagt. Dementsprechend sind Absprachen über Preisbestandteile, Höchst- und Mindestpreise, Preisbandbreite, Referenzpreise, Preiserhöhungen, die Weitergabe von gestiegenen Rohstoffpreisen, die Gewährung bzw. Nichtgewährung von Rabatten und den Zeitpunkt von Preisänderungen etc. zu unterlassen. Dies gilt auch für Absprachen über preisbegleitende Maßnahmen wie z. B. Zahlungsbedingungen, Kreditziele, Verzugszinsen und den Umfang von Garantien.

1.3 Konditionen

Des Weiteren sind Absprachen über sonstige Konditionen, welche den Ein- und Verkauf von Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des MASCHINENRAUMs bestimmen oder beeinflussen sollen, kartellrechtlich verboten.

1.4 Marktaufteilung (Gebiete, Kunden, Bezugsquellen)

Direkte oder indirekte Absprachen zwischen Mitgliedern des MASCHINENRAUMs über die Aufteilung von Märkten in Bezug auf Kunden und Gebiete sind nicht gestattet. Ebenfalls kartellrechtlich unzulässig sind Absprachen zwischen Mitgliedern des MASCHINENRAUMs über die Aufteilung von Liefer- und Bezugsquellen wie z. B. die Zuteilung von Lieferanten.

1.5 Ausschreibungen

Besonders schwerwiegende Fälle des Kartellverbotes, welche zudem auch gem. § 298 StGB bestraft werden, stellen Submissionskartelle dar. Hierbei wird versucht den Veranstalter einer Ausschreibung durch Absprachen der Wettbewerbsteilnehmer zur Annahme eines bestimmten Angebotes zu veranlassen. Solche Absprachen zwischen Mitgliedern des MASCHINENRAUMs sind in jeglicher Form nicht gestattet.

1.6 Quoten und Kapazitäten

Den Mitgliedern des MASCHINENRAUMs ist es ebenfalls untersagt, Absprachen über Quoten und Kapazitäten zu treffen. Hierzu zählen unter anderem Absprachen über die Drosselung der Produktion bzw. Einschränkungen des Angebotes an Dienstleistungen, Höchstliefermengen und Lieferbandbreiten.

1.7 Einschränkungen von Investitionen und Innovationen

Auch Absprachen zwischen Mitgliedern des MASCHINENRAUMs, welche die Einschränkung von Innovationen oder Investitionen bezwecken, sind verboten.

2. Kein Austausch von vertraulichen Informationen

Zwischen Mitgliedern des MASCHINENRAUMs, die zueinander im Wettbewerb stehen, ist innerhalb und im Umfeld des MASCHINENRAUMs der Austausch folgender Informationen und das Führen von Diskussionen, welche im Zusammenhang mit den folgenden Themen stehen, untersagt:

2.1 Preise, Preisstrategien, Preisgestaltung, Rabatte, Margen/Gewinne, Quoten, Kunden, Lieferanten oder Vertriebsgebiete sowie strategische Ausrichtungen/Investitionen;

2.2 Herstellungs- und Vertriebskosten;

2.3 Kapazitätsauslastungen und Lagerbestände oder Lagerreichweite;

2.4 Konditionen und Verkaufsbedingungen insb. Liefer- und Zahlungskonditionen aus Verträgen mit Dritten;

2.5 Angebote von Dritten, Aufteilung von Märkten oder Bezugsquellen jeglicher Hinsicht; und/oder

2.6 Einvernehmen über Boykotte und Liefer- und/ oder Bezugssperren gegen bestimmte Unternehmen.

3. Erlaubter Informationsaustausch

Bezogen auf die Aktivitäten des MASCHINENRAUMs (u.a. Austausch- und Lernformate, Workshop- und Projektbegleitungen) dürfen von Mitgliedern des MASCHINENRAUMs grundsätzlich Informationen zum jeweiligen Produkt oder Thema ausgetauscht werden. Hierzu gehören insbesondere:

3.1 Eigene Erfahrungswerte (sog. Best Practice); und/oder;

3.2 Eigene und gemeinsame Herausforderungen;

3.3 Austausch zu Trendthemen die Fachbereiche oder ganze Branchen treffen;

3.4 Empfehlungen zu Umsetzungspartnern;

3.5 Historische Daten;

3.6 Aggregierte Datensätze;

3.7 Frei zugängliche Daten;

3.8 Technische Daten;

3.9 Nicht produktbezogene Benchmark-Aktivitäten;

3.10 Allgemeine Konjunkturdaten;

3.11 Aktuelle Gesetzesvorgaben und die Folgen für die gesamte Branche.

4. Maßnahmen bei Verstößen

4.1 Pflichten der MASCHINENRAUM Mitarbeiter

Wird einem Mitarbeiter von MASCHINENRAUM ein Verstoß gegen diesen Leitfaden, insbesondere Ziffern B. 1. und B. 2., bekannt, so sollen - einzeln oder kumulativ - folgende Maßnahmen erfolgen:

  • Meldung der Art und Weise des Verstoßes an die Compliance-Abteilung von MASCHINENRAUM und dortige interne Dokumentation der Art des Verstoßes und des betroffenen Unternehmens;

  • Schriftliche Ermahnung des betroffenen Mitgliedsunternehmens durch MASCHINENRAUM; und/oder

  • Außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft des betroffenen Mitgliedsunternehmens im Ermessen von MASCHINENRAUM (i) je nach Intensität des Verstoßes und/oder (ii) dem Verhalten nach erfolgter Ermahnung.

MASCHINENRAUM behält sich je nach Einzelfall vor, bei Meldung des Verdachts eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften weitere Maßnahmen gegenüber dem betroffenen Mitgliedsunternehmen zu ergreifen. Das betroffene Mitgliedsunternehmen wird MASCHINENRAUM bei der Aufklärung des Sachverhalts unterstützen.

4.2 Pflichten Mitgliedsunternehmen

Wird einem Mitgliedsunternehmen des MASCHINENRAUMs ein Verstoß gegen diesen Leitfaden, insbesondere Ziffern B. 1. und B. 2., bekannt, so sollen - einzeln oder kumulativ - folgende Maßnahmen erfolgen:

  • Sofortige Abstellung des Verstoßes; und/oder

  • Soweit möglich ein umgehender, offen ausgedrückter und dokumentierter Protest gegen die preisgegebenen sensiblen Geschäftsinformationen und Dokumentation der Art des Verstoßes und des betroffenen Unternehmens.

5. Schulungen

MASCHINENRAUM schult Mitarbeiter des MASCHINENRAUMS regelmäßig hinsichtlich der Beachtung der kartellrechtlichen Vorschriften und stellt Schulungsunterlagen allen Mitarbeitern des MASCHINENRAUMs zur Verfügung. Hierdurch sollen Kartellrechtsverstöße und alle damit einhergehenden negativen Folgen vermieden werden.

6. Prüfung von Verstößen im Einzelfall

Dieser Leitfaden dient nur als Richtlinie zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Er entbindet die Mitgliedsunternehmen nicht von einer eigenen rechtlichen Prüfung des konkreten Einzelfalls.

7. Kenntnisnahme dieses Leitfadens

Jedes Mitgliedsunternehmen wird auf diesen Leitfaden im Rahmen der Bedingungen zur Mitgliedschaft hingewiesen. Zudem kann der Leitfaden unter diesem LINK aufgerufen werden und liegt zur Einsicht in der MASCHINENRAUM-Plattform (App). Teilnehmende an MASCHINENRAUM-Austauschformaten werden vor Beginn der jeweiligen Veranstaltung ebenso auf diesen Leitfaden (Kurzzusammenfassung) hingewiesen.- * * * -


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